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“Negative” Marktprämien: Wegfall der Deckelung der Rückzahlungsverpflichtung

Rückwirkend ab dem 01.01.2022

Der Betreiber einer französischen EE-Anlage, für die ein Marktprämienvertrag abgeschlossen worden ist, muss für Zeiträume, in denen der Marktpreis (“M0”)für die von der Anlage erzeugte Energie über dem im Marktprämienvertrag garantierten Referenztarif (“T”) liegt, diese (vom Anlagenbetreiber zunächst vereinnahmte) Differenz an EDF auskehren (sog. „negative“ Marktprämie).

Ursprünglich war diese Rückzahlungsverpflichtung jedoch bei den meisten der Fördertarife beschränkt auf den Betrag, den der Betreiber bis zum jeweilgen Abrechnungsstichtag als “positive” Marktprämien von EDF erhalten hatte (sogenannte Deckelungsregelungplafonnement”, auf die wir bereits in Newsletter Frühling 2022 eingegangen sind).

- Für die seit dem 20.12.2021 abgeschlossenen Verträge ist diese Regelung bereits im Dezember 2021 vom französischen Verordnungsgeber abgeschafft worden.

- Für die vor dem 20.12.2021 geschlossenen Verträge, in denen die Deckelungsregelung fast immer ausdrücklich vorgesehen war, ist sie nunmehr weitgehend neutralisiert.

Hierzu erging zunächst im April 2022 ein Anweisung des französischen Umweltministeriums an EDF, auch bei den vor dem 20.12.2021 geschlossenen Verträge die Deckelungsregelung nicht mehr anzuwenden (wir berichteten darüber hier).

Für diese Anweisung fehlte jedoch bislang jegliche Rechtsgrundlage; entsprechend wurde die Anweisung in der Praxis auch nur partiell umgesetzt. Die Regierung hat nun diese Rechtsgrundlage in Artikel 38 des Ergänzungsgesetzes zum Haushaltsgesetz für 2022 (LFR, Loi de Finances Rectificative) geschaffen.

Die wesentlichen Eckpunkte dieser Regelung sind folgende:

  • Der Wegfall der Deckelung erfolgt rückwirkend ab dem 01.01.2022
  • Der Mechanismus beruht auf der Einführung eines durch ministeriellen Erlass definierten Schwellenwerts (“Schwellenpreises” bzw.“prix seuil”).
  • Dieser Schwellenwert wird für jedes Jahr bis zum Ende des Marktprämienvertrags festgelegt, d.h. 15 Jahre ab Vertragsabschluss bei Verträgen nach dem Fördertarif E16 (Tariferlass “CR16”) und 20 Jahre ab Vertragsabschluss bei Verträgen nach dem Fördertarif E17 (Tariferlass “CR17”).
  • Der Schwellenwert wird durch die Regierung (nach Prüfung der CRE) anhand der Strompreismodelle festgelegt, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der hier betroffenen Verträge als realistisch angesehen wurden.

Im August 2022 ist dieser Schwellenwert von der Regierung noch nicht bekannt gegeben worden; nach Informationen des Branchenverbandes France Energie Eolienne (Stand Anfang August 2022) ist nicht zu erwarten, dass dieser mehr als 80 €/MWh betragen wird (mindestens bis 2030).

Vereinfacht lässt sich die Regelung wie folgt umschreiben :

  • Liegt der Referenztarif nicht über dem Schwellenpreis, so gilt die Deckelungsregelung
  • Liegt der Referenztarif dagegen über dem Schwellenpreis, so gilt die Deckelungsregelung nicht.

 

Nachstehend sei die Funktionsweise der neuen Regelung mit ein paar konkreten Zahlenbeispielen erläutert:

1. Referenztarif > Schwellenpreis

  • Referenztarif = 90€/MWh
  • Schwellenpreis = 70€/MWh

Ergebnis: die Deckelungsregelung entfällt komplett.

2. Referenztarif < Schwellenpreis

Hier gibt es wiederum zwei Untervarianten

a, Tarif (T) < Marktpreis (M0) < Schwellenpreis

  • Referenztarif = 60€/MWh
  • Marktpreis M0 = 65€/MWh
  • Schwellenpreis = 70€/MWh

Ergebnis: die Deckelungsregelung gilt uneingeschränkt, d.h. nach Rückzahlung der erhaltenen (positiven) Marktprämien verbleiben dem Betreiber die von ihm eventuell vereinnahmten Mehrerlöse.

b, Tarif (T) < Schwellenpreis < Marktpreis (M0); dies ist derzeit angesichts der aktuellen Marktpreise der üblichste Fall.

  • Referenztarif = 60€/MWh
  • Schwellenpreis = 70€/MWh
  • Marktpreis M0 = 100 €/MWh

Ergebnis: Die Deckelungsregelung gilt nur für den Teil der “Übererlöse”, die der Differenz zwischen dem Referenztarif und dem Schwellenpreis entsprechen; konkret:

  • “Übererlös” aus der Differenz zwischen Schwellenpreis und Referenztarif (d.h. 70 €/MWh – 60€/MWh = 10€/MWh): die Deckelungsregelung greift, der Anlagenbetreiber darf den Übererlös behalten, sobald er die bis zu diesem Zeitpunkt erhaltenen positiven Marktprämien in Form negativer Marktprämien an EDF zurückerstattet hat
  • “Übererlös” aus der Differenz zwischen Marktpreis und Schwellenpreis (d.h. 100 €/MWh – 70€/MWh = 30€/MWh): die Deckelungsregelung greift nicht, der Anlagenbetreiber muss den Übererlös vollständig an EDF auskehren, auch wenn er die bis zu diesem Zeitpunkt erhaltenen positiven Marktprämien in Form negativer Marktprämien an EDF zurückerstattet hat.

Für EDF bzw. den französischen Staat geht es hier um beachtliche Summen: So sollen durch den Wegfall der Deckelungsregelung, welche über 3.000 Marktprämienverträge betreffen soll, allein im Jahr 2022 ca. 2,4 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen generiert werden; für das Jahr 2023 werden die daraus resultierenden Mehreinnahmen auf etwas über 2 Milliarden Euro geschätzt.

Begründet wird die Maßnahme in ähnlicher Weise wie die vor knapp zwei Jahren erfolgte Herabsetzung der Fördertarife für bestimmte ältere PV-Anlagen (Tarife “S06” und “S10”):

  • Zum einen wird argumentiert, die bei Abschluss der Marktprämienverträge in dieser Form nicht vorhergesehene Explosion der Strompreise führe bei den Anlagenbetreibern zu ungerechtfertigten Übergewinnen;
  • zum anderen soll so sichergestellt werden, dass die Mittel, für die – grundsätzlich als notwendig erkannte – weitere Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen, so effizient wie möglich eingesetzt werden können.

Wenden Sie sich bei Fragen gerne direkt an unser Experten-Team.

Laurent Brault      Hans Messmer